Leseprobe: Aus Kapitel 6: Isayas Welt – Das Tuch des Lebens
Was bisher geschah:
Isaya, eine 134 Jahre alte, freche und sehr weise Schildkröte, hat die völlig verwirrte Silvie Baumann adoptiert. Silvie hat Fragen ans Leben, die sie echt umtreiben und sie nahezu in Depressionen gestürzt haben. Isaya hilft ihr mit Einblicken aus der nichtalltäglichen Wirklichkeit, die Welt mit anderen Augen zu sehen – mit Isayas Augen…
Und in Kapitel 6 nimmt Isaya ihre menschliche Besucherin mit in ihre Welt – Isayas Welt…
Isaya möchte, dass ich ihre Höhle etwas genauer kennenlerne, jetzt, wo wir doch Partner sind. Sie führt mich tief hinein in ihr Höhlenlabyrinth: Öfters muss ich den Kopf einziehen, aber die Gänge sind warm beleuchtet und irgendwie heimelig.
Zu unserer Rechten öffnet sich plötzlich ein großer Raum und ich traue meinen Augen nicht. Hier springen Nähmaschinen durcheinander und singen “wir nähen, wir nähen, wir nähen das Tuch deines Lebens”. Dabei ziehen sie endlose Ballen aus undefinierbaren Stofffetzen durch ihre Nähnadeln. Auf der anderen Seite kommen wunderschöne Farbteppiche heraus. Ab und zu bleibt eine der Nähmaschinen im Ton und in der Bewegung stecken. Dann eilt ein schlitzäugiger Fuchs mit einer großen Gießkanne herbei. Offensichtlich ölt er die Maschine nach. So etwas Schräges habe ich noch nie gesehen.
Isaya dreht sich zu mir um. “Und?”, fragt sie, ihre schwarzen Augen wie Laserpointer auf mich gerichtet – “Was sagst du dazu?”
“Ich … äh, was ist denn das Tuch des Lebens?”, stottere ich verdattert. “Ah – ich vergaß, entschuldige.” Isaya deutet mit dem Kinn in eine Ecke, und wir nehmen dort auf einem Sofa Platz und beobachten das Geschehen.
“Weißt du, das Tuch des Lebens ist sowas wie eine zweite Haut, die jeder Mensch besitzt. Es ist ganz dünn, etwas, was man fast nicht sieht, aber du hast es immer bei dir und es unterstützt dich in dieser Welt bei deinen Aufgaben.” Sie hebt den Vorderfuß, als ich nachfragen will. “Ja, Silvie, jeder hat eine Aufgabe. Meinst du wirklich, es ist ZUFALL, dass du hier bist? Oh nein, das wäre ja eine echte Verschwendung! Nein, jeder hat einen Auftrag zu erfüllen.
Und dafür bekommen alle eine zweite Haut, eine Art Schutzmembran. Die wird für jeden aus dem Tuch des Lebens individuell angefertigt. Damit kann das, was in dir steckt, aus dir heraus, aber es filtert ein wenig von dem, was außen vorgeht, ab, sodass möglichst wenig in dich hineinkommt. Sie schützt sozusagen deinen Kern.”
Und dann kam ein Hammer, den ich nicht einkalkuliert hatte, weil man ihn nicht kalkulieren kann: Ich bekam eine Krebsdiagnose. Ende Mai flog ich zurück nach Deutschland. Ich wollte mich in einem Land behandeln lassen, wo ich alles verstehe und wo ich Freunde habe – denn bei Krebs weiß man nie, wie es sich entwickelt.
Ich hatte unendliches Glück: Mein Krebs war eine harmlose Variante, er ist sehr früh erkannt worden und hatte noch nicht gestreut. Mit einer großen Operation war alles erledigt.
Das Unangenehmste war das Warten auf die Befunde. Wie schlimm ist es? Was ist alles betroffen? Welche Nachbehandlungen sind nötig? Wie stehen die Heilungschancen?
In diesen zehn Tagen ging ich sehr in mich. Ich ließ mein Leben vor meinem inneren Auge vorbeiziehen und erkannte, dass ich eigentlich sehr zufrieden bin. Ich habe nicht alles erreicht, was ich mir vorgestellt habe – was bei einem Menschen wie mir, der tausende von Ideen hat, auch gar nicht möglich ist. Doch das Wichtigste, das Wesentliche, das habe ich gemacht und erlebt. Ich hatte die große Liebe, war erfolgreich im Business, ich habe die Welt bereist, bin über Berge, Täler und durch Wüsten marschiert, ich habe Bücher geschrieben und sogar mein Traumplätzchen an der Sonne gefunden. Ich muss mir und niemandem mehr irgendwas beweisen. Und das ist ein großartiges Gefühl! Herz, was willst du mehr?
Von daher: Ich bin krebsfrei – und betrachte diesen dritten Lebensabschnitt nun als EXTRA! Ich will diese Zeit nutzen, sehr viel von dem weiterzugeben, was ich erlebt und gelernt habe. Ich will Menschen inspirieren, motivieren und unterstützen, sich selbst im Leben die Ergebnisse zu kreieren, die sie sich wünschen.
Und so ist ab heute alles neu: Die Website, die Ausrichtung, der Lebensmittelpunkt, meine Pläne für die Zukunft…
Und darauf stoße ich heute mit euch an: Auf das Leben und die nächsten 30 Jahre – in Kapstadt😊
Eure Conny Schumacher