Radtour Paris-Moskau 2008

Naja, für verrückte Ideen bin ich immer zu haben. Und als mein damaliger Freund Klaus kam und mir einen Flyer vorlegte von einem Verein „Bike for peace and new energies,“ mit einer Radtour quer durch Europa von Paris bis nach Moskau, da war ich gleich angefixt – das ist so abgefahren, da muss ich mit!

Unsere Ankunft in Minsk, zufällig an meinem 43. Geburtstag!

Unsere Ankunft in Minsk!

Nun, als Normalo im besten Verdienstalter kann ich mir keine zwei Monate Zeit nehmen, aber die Hälfte, das Abenteuer ab der Polnischen Grenze bis nach Moskau, 2500 KM quer durch mir völlig unbekanntes Terrain, das wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Es wurde eine faszinierende Tour, die aber auch sehr zwiespältige Gefühle hinterlässt. Ich habe großartige Menschen aus aller Herren Länder kennengelernt, Länder durchradelt, in die ich sonst nie kommen würde und meine Grenzen erlebt wie selten im Leben zuvor. Leider war in Minsk Schluss: ich habe mich verletzt. Muskelfaserriß – ausgerechnet beim Tanzen! Dafür kenne ich jetzt das Minsker Krankenhaus von innen und weißrussische Ärzte, die schon mal auf dem Oktoberfest waren. Und dank dem ADAC, der mich hochkompetent und unbürokratisch („… wie soll ich mit Gipsschiene, ohne Krücken und ohne russisch zu sprechen in einem Dorf in Weißrussland ein Fax auftreiben, um eine russische Unfallbescheinigung nach Deutschland zu schicken?„) aus einem echten Dilemma befreite, ging alles glimpflich ab!

Bedanken will ich mich an dieser Stelle bei allen meinen Mitradlern, für die großartige Kameradschaft und den Zusammenhalt – denn sowas geht nur im Team. Als besonderes Highlight wird mir immer Christian, der Musiklehrer aus Frankfurt und unser Ständchen in Erinnerung bleiben, das wir an der polnisch-weißrussischen Grenze geschmettert haben: „mein kleiner grüner Kaktus“. Leute, ihr wart einfach großartig!

Die Tour gibts immer noch, jedes Jahr wieder. Waren wir noch echte Pioniere mit z.T. nur einem Klo für 60 Leute und im extremsten Fall auch mal gar keiner Dusche, so wird die Organisation doch von mal zu mal besser.

Wer mitfahren will sei aber vorgewarnt: Es ist mit Sicherheit nach wie vor eines der letzten, richtigen Abenteuer im sonst so durchorganisierten Europa. Man muss also mit allem rechnen. Oder besser mit nichts?

Politisch muss man etwas auf der Hut sein, denn so tolerant die Ziele klingen, in der Umsetzung fielen sie nicht allen leicht. Eigendlich fand ich, für Frieden und erneuerbare Energien zu radeln ein heeres Motiv, aber so superernst wie einige andere hab ichs nicht genommen. Ich habe z.B. nie auf Demos Fähnchen geschwenkt und „nie wieder Krieg“ gebrüllt, was gerade bei leerem Magen öfters für Dispute sorgte.

Bei den großen Empfängen im kommunistischen Weißrussland kam ich mir dann regelrecht verarscht vor. Ich habe keine Ahnung, für was wir da herhalten mussten, die auf russisch gehaltenen Reden wurden nicht übersetzt für uns. Wir wurden von Fernsehteams verfolgt und waren überall die Attraktion, aber in Interviews wurden wir dann doch eher gefragt, ob die weißrussischen Frauen wirklich die schönsten in Europa wären. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man hier politisch benutzt wird und – cui bono? – das auch ganz klar von der Tour-Organisation akzeptiert wird.

Was ich neben einem unvergesslichen sportlichen Abenteuer und vielen interessanten zwischenmenschlichen Begegnungen mitnehme, ist die traurige Erkenntnis, dass Politik ein Scheißgeschäft ist und die Parolen überall dieselben sind, egal welche Seite sie bemüht. Sie sind platt, inhaltslos, hochgepusht, völlig verallgemeinernd, sie bringen die Menschen auseinander statt zusammen und sind schlicht dumm. Und vor allem: Sie sind leider immer noch im Einsatz!

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